19. Juli 2011

Die Eskimorolle

Unsicherheit und Coolness wechseln mit Konzentration und abgelenkt sein. Das Lächeln auf dem Gesicht versucht die Waage zu halten. Eine Ente schwimmt unbekümmert dicht an den paddelnden und lärmenden Semierwachsenen unterschiedlichen Alters vorbei, das Geschehen beäugend, ohne den Schnabel zu schütteln. Das flache, dunkle Wasser des Sees glitzert im Sonnenlicht. Unter dem weißblauen Himmel hängen Cumuluswolken, Reste des vorherigen Regentages. Der leichte Wind weht ab und zu die sommerlichen Temperaturen bei Seite.

Der Junge holt nach Anweisung der Lehrerin, die halb versenkt im Wasser steht, den Schwung aus der Hüfte und schaukelt das Kajak hin und her. Die folgende Aufforderung, sich doch mal probeweise samt Kajak auf die rechte Seite zu drehen, findet er noch lustig. Sie erklärt ihm dann, dass der Kopf bei einer Eskimorolle ganz zum Schluss wieder auftaucht. Das Lächeln verebbt, gefolgt von einem unsicheren, nach Zuspruch suchenden Blick in die Runde. Der kommt nicht und die inzwischen leicht frierende Lehrerin hat wieder seine Aufmerksamkeit. Sie hat drei Finger ihrer rechten Hand senkrecht auf ihre linke, flache Hand gelegt, um ihm zu erklären was er ab dem Mittelpunkt unter Wasser machen soll. Jetzt strukturiert der göffnete Mund das Gesicht des Jungen, während er sich fragt ob er je Kajak fahren wollte, von der Eskimorolle ganz zu schweigen. Erkennend, dass man nicht einfach aussteigen kann und Eskimorolle Eskimorolle sein lässt, wird das wissende Misslingen unausweichlich. Auch der Motivationsschub der Lehrerin mit Gänsehaut sorgt nicht für den nötigen Schwung aus der Hüfte und so gleitet er seitlich ins abgründige Nass. Die senkrechte Position unter Wasser, die ihm schon bei Erklärung das Gesicht geglättet hatte, scheint für eine kleine Ewigkeit sein zu Hause zu werden, bis sein Kopf umrahmt von nassen, braunen Haaren, an dem dicht unter der Wasseroberfläche ein seitlich gebogener Körper hängt, auf der anderen Seite des Kajaks zum Vorschein kommt. Er prustet. Kraftlos verschwindet das sichtbar gewordene wieder im See. Der mit T-Shirt und kuzer Hose bekleideten Gänsehaut mit Haarknoten gelingt es erst beim 3. Anlauf, das Kajak mit dem nach Luft japsenden Inhalt nach oben zu drehen. Die Aktion hat dem Jungen jede Mimik weggewaschen. Er orientiert sich und bemerkt die vermehrten Zuschauer am Steg. Um sich nichts anmerken zu lassen, lässt er seine Mundwinkel Richtung Ohren wandern.

Die 2. Rolle beginnend auf der anderen Seite ermöglicht ihm den von Anfang an gewollten Ausstieg. Erst flüchtet er schwimmend, schließlich erklimmt er, das rettende Haus, das ihn verschwinden lässt im Visier, den Steg. Die Gänsehaut erinnert ihn an sein Kajak, das er achtlos zurück gelassen hat und hindert ihn vorübergehend daran, das eben Erlebte unter nie erlebt abzuheften. Eine halbe Stunde später ist er angezogen, die Haare sind getrocknet, die Hände beulen lässig die Hose aus. Eskimorolle? Joa – cool!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen